"Das Scheidungsgesetz gehört komplett
überarbeitet" Interview mit Fernand Kartheiser, Sekretär der
neuen "Association des Hommes Luxembourgeois"
Photo : F.Aussems
Am 18. Dezember 2005 wurde die .Association
des Hommes du Luxembourg" (AHL) gegründet, welche die "Association
luxembourgeoise d'Aide aux Hommes Divorcés ou en instance de Divorce" ersetzen
soll. Die AHL kümmert sich auch weiterhin um den Themenbereich Scheidung, hat
aber gleichzeitig ihr Tätigkeitsfeld erweitert. In diesem Kontext unterhielten
wir uns mit Fernand Kartheiser, der die Rolle des Sekretärs der Vereinigung
übernommen hat. Letzebuerger Journal: Herr Kartheiser, was hat sich mit der
Neugründung der "Association des Hommes du Luxembourg" geändert? Fernand
Kartheiser: Die AHL beschäftigt sich auch weiterhin mit dem Thema Scheidung. Da
Männer und Jungen jedoch oft noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben,
mussten wir unser Mandat erweitern. Bisher gab es in Luxemburg keine
Organisation, die sich mit männerspezifischen Schwierigkeiten auseinandersetzte,
derweil es ja zahlreiche Frauenorganisationen gibt, die wiederum massiv vom
Staat unterstützt werden. Wir versuchen mit der AHL diese Lücke zu füllen. Wir
betreten sozusagen Neuland, fangen also bei Null an. Eine statutarische Basis
war der Anfang, jetzt hoffen wir auf die nötige Unterstützung. LJ: Sie sind
der Ansicht, dass wenn von Chancengleichheit gesprochen wird, sich dies zu sehr
auf die Frauen bezieht, derweil der Mann deutlich in den Hintergrund
tritt... F.K: ...ja, das denken wir. Gleichgültig über welchen Bereich wir
reden, der Begriff der Chancengleichheit wird in diesem Land stets zu Gunsten
der Frau ausgelegt. Wir befinden uns momentan in einer Situation, in der die
Frau gegenüber dem Mann klar privilegiert wird. Dieses Ungleichgewicht wird von
der Politik konsequent vorangetrieben und genau hier bewegen wir uns in die
falsche Richtung. Die Interpretation von Chancengleichheit bezieht sich nicht
nur auf ein Geschlecht. Wir haben längst eine Situation erreicht, in der es
einem Begriff wie Chancengleichheit droht, seines Sinnes entleert zu
werden. LJ: Die Nachfrage an Ihrer neuen Vereinigung ist demnach durchaus
gegeben? F.K.: Davon können Sie ausgehen. Allein gestern Abend erhielten wir
über 20 Anrufe, wobei es sich meist um äußerst tragische Fälle handelt.
Dramatische Scheidungsfälle werden uns zuhauf geschildert, Männer die ohne Geld
da stehen, kein Zuhause mehr haben und sich in einer ausweglosen Situation
befinden. Wir sind uns durchaus bewusst, dass wir noch einen weiten Weg vor uns
haben, bis wir betroffenen Männern gezielt helfen können. LJ: Worin ist also
die Aufgabe der AHL zu sehen? F.K.: In konkreten Fällen zu helfen ist
natürlich ein wichtiges Ziel, wobei wir davon leider noch weit entfernt sind. In
einem ersten Schritt werden wir an die Parteien sowie an die öffentlichen
Instanzen herantreten, auch an die Regierung, um zu bewirken, dass bestehende
Gesetze überarbeitet oder geplante Gesetze gar nicht erst gestimmt werden. Denn
einige von diesen gehen unserer Ansicht nach, weit über das hinaus, was noch
gerecht und vertretbar ist. LJ: Was gibt es konkret auszusetzen? F.K.: Das
geplante Scheidungsgesetz müsste beispielsweise komplett überarbeitet werden,
vor allem die Artikel betreffend die Wohnung, die Unterhaltszahlungen sowie das
Sorgerecht, unsere drei Hauptkritikpunkte. Auch das Gesetz über die sexuelle
Belästigung gehört dringend reformiert. Was das Thema Gewalt in der Ehe angeht,
so hat Luxemburg mittlerweile das strengste Gesetz auf der ganzen
Welt. Gewalt in der Ehe Bei der Debatte über häusliche Gewalt fehlt es an
Objektivität. Als das Gesetz damals gestimmt wurde, hat auch keine wirkliche
gesellschaftliche Debatte über häusliche Gewalt stattgefunden. Es wurden
lediglich feministische Maximalforderungen in einen Gesetzestext gegossen.
Nun muss aber, unserer Meinung
nach, dieses Gesetz überprüft werden, und zwar auf möglichst objektive Weise.
Leider ist es so, dass die Schuld an der häuslichen Gewalt oft automatisch beim
Mann vermutet wird, dabei gibt es durchaus auch viele gewalttätige Frauen.
Darüber wird jedoch kaum geredet, oder es wird nur behauptet, dass gewalttätige
Frauen nur die selbst erfahrene Gewalt "weitergäben" . So einfach darf man es
sich jedoch nicht machen. LJ: Es gibt anscheinend viel zu beanstanden. Wo
wollen Sie anfangen? F.K.: Wir sind eine neue Vereinigung. Wir versuchen
erstmal mit den politischen Parteien in Kontakt zu treten, um unsere Anliegen
vorzubringen. Wir waren bereits bei der Ministerin für Chancengleichheit und
beim Ombudsman, auch da werden wir noch auf verschiedene Punkte zurückkommen. Es
kann beispielsweise nicht angehen, dass getrennt lebende oder geschiedene Männer
nach einer gewissen Zeit steuerlich zurückgestuft werden, also steuerlich wie
kinderlose Junggesellen behandelt werden, obwohl sie Unterhaltskosten zu zahlen
haben und für ihre Kinder auch in anderer Hinsicht sorgen. Das ist in höchstem
Maße unfair. Sie sehen: es gibt eine ganze Reihe konkreter Probleme denen
wir uns widmen müssen. LJ: Wie steht es mit der Chancengleichheit bei
Jugendlichen, ein weiteres Thema, das Ihnen nahe liegt? F.K.: Da fällt mir
jetzt auf Anhieb der "Girl's day" ein, weil das Thema gerade aktuell ist.
Vorgegebenes Ziel ist es den Mädchen Einblick in Männerberufe zu gewähren. In
Vergessenheit gerät dabei, dass auch Jungs nicht mit dem Schraubenzieher in der
Hand geboren werden. Es würde sich sicherlich auch positiv auf sie auswirken,
verschiedene, technische Betriebe kennenlernen zu dürfen. Diese Chance wird den
Jungen leider vorenthalten. Außerdem werden die Mädchen an diesem Tag vom
Unterricht freigestellt, während die Jungs in die Schule gehen müssen.
Unterstützt wird diese Initiative vom Unterrichtsministerium. Wenn wir von
Chancengleichheit reden, dann bitte in allen Bereichen, auch im Bereich der
Berufsorientierung. Haben wir es hier vielleicht nicht mit sexueller
Diskriminierung zu tun? Ein "Girl's Day" gehört in die Ferienzeit. Eine
staatlich organisierte oder geförderte Berufsorientierung jedoch, soll
geschlechtlich neutral und ohne jede Diskriminierung während der Schulzeit
organisiert werden.